Gewaltfreie Kommunikation
In jungen Jahren erlebte Marshall B. Rosenberg in den USA Auseinandersetzungen zwischen Menschen verschiedener Hautfarben. Er selbst erlebte Ausgrenzung aufgrund seiner jüdischen Wurzeln. Später als Psychologe war er von Mahatma Gandhi inspiriert und verfolgte die These: Wer Frieden schaffen will, muss nicht nur darauf achten, was er sagt, sondern auch, wie er es ausdrückt.
Im Streit kommt es oft zu Angriffen und zu Schuldzuweisungen, also zu Gewalt. Rosenberg war der Ansicht, dass die Ursache für die meisten zwischenmenschlichen Konflikte darin liegt, dass wir unsere Bedürfnisse nicht klar kommunizieren. Dazu kommt eine wertende und verurteilende Sprache. Vor diesem Hintergrund entwickelte er die „Gewaltfreie Kommunikation” im Englischen „Nonviolent Communication“. Sie basiert auf zwei Säulen: Aufrichtigkeit und Empathie.
Die vier Punkte der gewaltfreien Kommunikation
Bei Auseinandersetzungen sollte man aufrichtig folgende vier Punkte berücksichtigen:
- Beobachten, wahrnehmen – ohne zu bewerten: Am Anfang steht die Beschreibung der Situation, ohne Interpretation, beispielsweise: „Hier liegen Deine Arbeitsklamotten auf dem Fußboden.” (Statt „Immer lässt Du alles herumliegen, hier sieht es aus wie Sau!”)
- In sich hineinhören, welche Gefühle hat man dabei? Zunächst sollten Emotionen erspürt und mit Worten benannt werden ohne Schuldzuweisung, beispielsweise: „Ich bin verärgert.” (Statt „Du machst mich wahnsinnig damit!“)
- Bedürfnisse erläutern: Aus dem Gefühl lässt sich ein Bedürfnis ableiten, ohne eine starre Position einzunehmen, beispielsweise: „Ich wünsche mir, dass jeder seinen Teil zur Ordnung beiträgt.“ (Statt „Ich brauche Ordnung und habe keine Lust immer allein dafür sorgen zu müssen”).
- Bitte formulieren: Wenn das Bedürfnis klar erkannt ist, sollte daraus eine Bitte entstehen, ohne Forderung, beispielsweise: „Könntest Du Dich in Zukunft bitte bemühen, Deine Sachen in den Wäschekorb zu tun?“ (Statt „Räum Deine Klamotten in Zukunft selbst weg!”).
Daraus lässt sich folgende Faustformel zusammenfassen:
Wenn ich a) sehe [Beobachtung], dann fühle ich b) [Gefühl], weil ich c) brauche [Bedürfnis], deshalb möchte ich gern d) [Bitte].
Dazu kommt nun die zweite Säule, die Empathie. Zu ihr gehören die Fähigkeiten die Gefühle der anderen zu verstehen, als auch die eigenen Gefühle aufrichtig zu äußern. An dieser Stelle wird klar, dass diese Form der Kommunikation ein Prozess ist.
Liebe ist kein Gefühl
In einem Interview erklärte Rosenberg einmal, dass wenn wir „ich liebe dich“ sagen, unterschiedliche Gefühle wie Dankbarkeit, Freude, Leidenschaft und noch so vieles mehr gemeint sein können. Wir sollten an der Stelle die Vielfalt beibehalten. Als Beispiel nannte er eine Situation bei der er seiner Tochter sagte: „Maria, wenn ich dich hier so sitzen sehe, dann fühle ich… eine solche Freude. Es erfüllt das Bedürfnis in mir, einfach nur in Verbindung zu sein mit so einem Wesen wie dir.“ Er sah der damals 6jährigen an, dass sie dem soviel mehr entnehmen konnte, als wenn er „ich liebe dich!“ gesagt hätte.
Vorsicht vor Interpretationen und Pseudogefühlen
Um uns vor Interpretationen zu schützen, empfehle ich die Hilfe unserer fünf Sinne. Nur was ich hören, riechen, schmecken, fühlen oder sehen kann, ist eine Wahrnehmung.
Nicht allen Menschen fällt es leicht ihre Empfindungen zu benennen. Gerade wenn es um so etwas beunruhigendes, wie das Gefühl der Hilflosigkeit geht. Wir umschiffen die direkte Bezeichnung hier gern und formulieren stattdessen den Eindruck, vom Gegenüber nicht ernst genommen zu werden. Solche Pseudogefühle können aber bei der Gegenseite Schuldgefühle auslösen und eine Verteidigungshaltung auf den Plan rufen.
Fazit
Die GFK (Gewaltfreie Kommunikation) kann in jeder Auseinandersetzung hilfreich sein, nicht nur innerhalb der Partnerschaft oder der Familie. Sie findet Anwendung im Arbeitskontext, in Schulen oder bei diplomatischen Konflikten. Sie ist weder kompliziert noch überraschend, doch Menschen vergessen die ihnen eigentlich bekannten Regeln allzu oft. Bitte verurteilen Sie sich nicht wenn das passiert! Auch im Gespräch mit uns selbst dürfen wir die GFK anwenden und immer wieder üben.
Zum Schluss noch der wunderbare Hinweis von Brené Brown:
Sich verletzbar zu zeigen ist ein Risiko, dass wir eingehen müssen, um die Erfahrung von Verbindung machen zu können.
Herzlichst, Ihre Stefanie Grohmann