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Brustkrebs und Sexualität: Ein Weg zu neuer Intimität und Selbstakzeptanz

Als Therapeutin und selbst von Brustkrebs Betroffene, weiß ich aus eigener Erfahrung, wie tiefgreifend eine Krebsdiagnose das Leben verändert. Diese Diagnose betrifft nicht nur den eigenen Körper und die eigene Seele, sondern auch die Partnerschaft. Viele Paare erleben in der ersten Zeit nach der Diagnose einen starken Zusammenhalt und eine Intensivierung ihrer Beziehung. Die gemeinsame Bewältigung stärkt die Partnerschaft, stellt sie aber gleichzeitig auch vor zahlreiche Herausforderungen, besonders je länger und schwieriger der Krankheitsverlauf ist.


Eine Krebsdiagnose verändert oft die eigene Wahrnehmung – nicht nur des Körpers, sondern auch der eigenen Weiblichkeit oder Männlichkeit. Körperliche Veränderungen, Ängste, Schmerzen und Sorgen um die Zukunft sind allgegenwärtig. Gleichzeitig muss sich auch die Partnerperson mit diesen Veränderungen auseinandersetzen. Als Paar gilt es, neue Wege zu finden, um mit diesen Belastungen umzugehen, sei es durch offene Kommunikation oder durch das gemeinsame Treffen von Entscheidungen.


Besonders die Sexualität kann durch eine Krebserkrankung und deren Behandlung beeinträchtigt sein.

Körperliche Veränderungen wie vaginale Trockenheit, Einschränkungen des sexuellen Verlangens, Schmerzen oder Erektionsstörungen können die sexuelle Intimität erschweren. Gleichzeitig können psychische Belastungen wie Ängste, ein verändertes Selbstbild oder das Gefühl, nicht mehr attraktiv zu sein, die Lust mindern. Viele Paare vermeiden aus Angst, die Partnerperson zusätzlich zu belasten, offene Gespräche über ihre Wünsche und Bedürfnisse. Doch gerade hier liegt der Schlüssel: Eine offene und ehrliche Kommunikation kann helfen, Missverständnisse zu vermeiden und gemeinsam Lösungen zu finden.


Körperarbeit, ein wichtiger Baustein

In meiner Arbeit als Therapeutin lege ich besonderen Wert auf die Körperarbeit. Unser Körper ist nicht nur ein Ort des Erlebens, sondern auch ein Spiegel unserer inneren Zustände. Durch achtsame Berührung kann Heilung erfahren werden, Schmerz und Verletzungen dürfen sich transformieren. Der Körper erinnert sich daran, wie es ist, verbunden zu sein – mit sich selbst und mit einem anderen Menschen. Diese Form der Körperarbeit kann ein wichtiger Baustein auf dem Weg zur Heilung und zur Wiederentdeckung der eigenen Sexualität sein.


Eine besonders bewegende Erfahrung in meiner Praxis war die Arbeit mit einer Klientin, die nach einer Brustamputation tief unter dem Gefühl litt, für ihren Mann nicht mehr attraktiv zu sein. Sie hatte große Angst, dass er sich von ihr abwenden oder sogar fremdgehen könnte. Diese Sorgen hatten in ihr ein starkes Gefühl der Unsicherheit und des Selbstzweifels ausgelöst.


In unserer Sitzung öffnete sie sich und ließ all diese belastenden Gedanken und Gefühle zu. Während ich mit ihr arbeitete, spürte ich, wie ihr Körper nicht nur das duftende Öl aufnahm, sondern auch all die Einsichten und Erkenntnisse, die wir in den vorherigen Gesprächen erarbeitet hatten. Es war, als ob ihr Körper bereit war, diese neuen Überzeugungen und das wiedergewonnene Selbstvertrauen in sich aufzunehmen und zu integrieren.


Durch die achtsame Berührung und das tiefe Eintauchen in die Körperarbeit erlebte sie einen Moment der Heilung und der inneren Ruhe. Sie begann, ihren Körper auf eine neue Weise zu spüren und anzunehmen, und gewann dadurch auch ein Stück ihres Selbstwertgefühls zurück. Es war ein kraftvoller Moment, der zeigte, wie wichtig es ist, Körper und Geist als Einheit zu betrachten und wie heilsam es sein kann, wenn wir uns erlauben, unseren Körper mit liebevoller Achtsamkeit zu berühren und zu nähren.


Nicht immer geht es gut aus

Doch leider führt eine Krebsdiagnose nicht immer zu einem stärkeren Zusammenhalt. Es gibt auch die schmerzhaften Fälle, in denen Menschen während ihrer Erkrankung von ihrem Partner verlassen werden. Diese Situation ist für alle Beteiligten extrem belastend. Derjenige, der geht, steht vor einer moralischen Zerrissenheit: Darf man einen kranken Menschen verlassen? Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten und kann mit enormen Schuldgefühlen verbunden sein.


Hier kann Paartherapie von unschätzbarem Wert sein. Sie bietet einen Raum, in dem beide Partner ihre Ängste, Zweifel und Gefühle äußern können, ohne verurteilt zu werden. Eine therapeutische Begleitung kann helfen, schwierige Entscheidungen mit mehr Klarheit zu treffen, mögliche Missverständnisse aufzulösen und neue Wege im Umgang miteinander zu finden. Selbst wenn es letztlich zu einer Trennung kommt, kann der Prozess durch eine Therapie einfühlsamer und respektvoller gestaltet werden, was für beide Seiten wichtig ist.


Sexualität als Quelle der Stärke und des Trostes

Abschließend möchte ich Ihnen Mut zusprechen: Auch wenn der Weg durch eine Krebserkrankung voller Herausforderungen ist, kann er gleichzeitig eine Chance sein, sich und die eigene Sexualität neu zu entdecken. Sprechen Sie offen mit Ihrer Partnerperson über Ihre Bedürfnisse und Ängste. Suchen Sie sich Unterstützung, wenn Sie das Gefühl haben, allein nicht weiterzukommen. Der Weg zur Heilung ist auch ein Weg der Kommunikation und der Nähe – zu sich selbst und zu dem Menschen, den Sie lieben.


Lassen Sie sich nicht entmutigen, wenn es schwierige Phasen gibt. Jeder kleine Schritt in Richtung Verständnis und Nähe ist wertvoll. Vertrauen Sie darauf, dass Ihre Partnerschaft und Sexualität auch in schwierigen Zeiten eine Quelle der Stärke und des Trostes sein können.



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